Eine Befragung hat ergeben, dass 8,6 % der Mädchen und 2,8 % der Jungen vor dem 16. Lebensjahr Opfer von sexuellen Übergriffen geworden sind. Die große Mehrheit der Täter stammt dabei aus dem sozialen Umfeld des Opfers. Viele Missbrauchsfälle bleiben unerkannt, da die Opfer eingeschüchtert werden.

Das Auftauchen von sexuellem Missbrauch in den Medien ängstigt und verunsichert Eltern, möglicherweise führt es zu einem Misstrauen gegenüber Vertrauenspersonen der Kinder. Dabei können Eltern bereits im Vorfeld einiges tun, um ihre Kinder zu schützen, indem sie sowohl über Gefahrensituationen sprechen als auch generell Kinder in ihrer Entwicklung stärken.

Faktoren, die Kinder vor Missbrauch schützen, sind ein hohes Selbstbewusstsein, gute schulische und sportliche Leistungen sowie eine gute Beziehung zu einem Elternteil oder einem anderen Erwachsenen oder Geschwisterkind. Ebenso wichtig ist eine gute Sexualerziehung.

Ganz konkret bedeutet dies, dass Eltern mit ihren Kindern über das Thema Sexualität und Grenzverletzungen sprechen sollten. Kinder sollten darin bestärkt werden, dass sie über ihren Körper bestimmen dürfen und dabei ihrem Gefühl vertrauen dürfen. Wenn etwas passiert, was sie nicht möchten, dürfen Kinder „Nein“ sagen. Auch sollten Kinder altersangemessene Begriffe für ihre Körperregionen kennen. Da Täter ihre Opfer zur Geheimhaltung auffordern, sollte Kindern der Unterschied zwischen guten und schlechten Geheimnissen erklärt werden, so dass sich Kinder trauen, ihre Missbrauchserlebnisse als schlechte Geheimnisse zu erzählen.

Kinder sollten behutsam an das Thema Missbrauch herangeführt werden. Zwar beschäftigt Kinder das angesprochene Thema, sie sind jedoch nur selten stark beunruhigt. Auf der anderen Seite fördern die kindgerechten Angebote, wie z.B. ein Kind sich Hilfe holen kann, ein höheres Sicherheitsgefühl. Ein Missbrauch lässt sich jedoch aufgrund des Ungleichgewichts an Macht zwischen einem Kind und einem Erwachsenen nicht allein durch präventive Arbeit in der Familie vermeiden. Auch Institutionen und Vereine sollten dieses Thema ernst nehmen, um sichere Strukturen schaffen zu können.

Aufmerksam sollten Eltern werden, wenn Kinder plötzlich starke Veränderungen im Verhalten zeigen. Falls Eltern den Verdacht haben, dass ihr Kind betroffen sein könnte, sollte sehr behutsam das Gespräch mit dem Kind gesucht werden. Dabei könnten Eltern ihre beobachteten Veränderungen beim Kind ansprechen. Eltern sollten dabei nicht versuchen, Details zu erfragen. Auch sollte das Gespräch nur fortgesetzt werden, wenn Kinder dies auch möchten. Es ist wichtig, dass die Kinder selbst entscheiden, wann es gut für sie ist, über den Missbrauch zu sprechen. Die meisten Kinder werden jedoch auf Nachfrage berichten. Wenn nicht, weiß das Kind, dass es auf das Gesprächsangebot zurückkommen kann. Eine geringe Anzahl an Kindern entscheidet, ihre Missbrauchserfahrung nicht zu offenbaren.

Wenn sich der Verdacht bestätigt, ist es wichtig, dass Eltern anerkennen, dass auffällige Verhaltensweisen eine normale Reaktion auf eine extreme Stressbelastung sind. Da die Gespräche scham- und schuldbesetzt für die Kinder sind, brauchen sie Entlastung mit Sätzen wie „Du tust es weil Du etwas Schlimmes erlebt hast“, „Deine Reaktion ist völlig normal in Deiner Situation“. In der kommenden Zeit ist es wichtig, dass das Kind einen verlässlichen Alltag durch einen klar geregelten, gleich bleibenden Tagesablauf erlebt. Kinder werden zusätzlich entlastet, indem ihnen folgendes vermittelt wird: „Du bist nicht schuld an dem was passiert ist“; „Ich glaube Dir“; „Ich höre Dir aufmerksam zu“. Der wichtigste Schritt ist, dass das Kind vor dem Täter geschützt wird, so dass es zu keinem weiteren Missbrauch seitens des Täters kommen kann. Da ein Missbrauch zu einer großen Verunsicherung führt, kann es sehr hilfreich sein, sich professionelle Unterstützung zu suchen. Die Beratungsstelle kann dabei eine erste Anlaufstelle für betroffene Eltern sein.

Lena Squarra, Diplompsychologin