Darf man sein Kind schlagen?

Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass die Wahrscheinlichkeit, eine psychische oder psychosomatische Erkrankung im Erwachsenenalter zu entwickeln, durch das Einwirken psychosozialer Belastungen in der Kindheit deutlich erhöht ist. Zu diesen Belastungen zählt auch das Schlagen von Kindern. Aber auch aggressive Verhaltensauffälligkeiten bis hin zur Kriminalität können im Zusammenhang mit selbst erfahrener Gewalt in der eigenen Herkunftsfamilie gesehen werden.

Äußerungen wie „Ein paar hinter die Ohren haben noch keinem geschadet!“ sind eher Ausdruck erwachsenen Verdrängens selbst erfahrenen Unrechts oder des Wunsches, selbstbegangenes Unrecht zu bagatellisieren. Im November 2000 wurde ein explizites Verbot von Körperstrafen für Eltern im Bürgerlichen Gesetzbuch eingeführt: „Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigenden Maßnahmen sind unzulässig.“ (siehe § 1631 Abs. 2 BGB).

Stellen Sie sich vor: Das Kleine brüllt, tobt, trotzt – bei Mutter oder Vater liegen die Nerven blank und dann ist es doch passiert. Nein, hier ist nicht einfach die Hand ausgerutscht und es handelt sich auch nicht um einen „Klapps“. Sie wollten Ihr Kind wachrütteln, wollten ihm zeigen, wie sehr sie sein Verhalten verurteilen, wollten ihm vielleicht sogar wehtun!

Wie kann man das vermeiden?

 

1. Haltung gewinnen

Nehmen Sie sich einfach vor, niemals Ihr Kind zu schlagen. Tun Sie dies, bevor Sie in Situationen kommen, in denen Sie das Gefühl haben, dass nichts anderes mehr hilft. Sprechen Sie mit dem anderen Elternteil darüber und unterstützen Sie sich gegenseitig in Ihrem Vorhaben!

 

2. Kontakten

Wenn der Streit zu eskalieren droht, nehmen Sie Ihr Kind am Arm. Stellen Sie dabei Blickkontakt her. Sagen Sie deutlich, was Sie von ihm erwarten. Geben Sie dabei konkrete Anweisungen, was das Kind tun soll. („Ich möchte, dass du jetzt sofort deine Spielsachen nimmst und in die Kiste räumst. Wenn alles darin ist, stellst du die Kiste ins Regal!). Vermeiden Sie „Du-Botschaften“, hektisches Agieren, persönliche Abwertungen des Kindes, lautes Schreien, lange Vorträge usw. Und wie machen Sie weiter, wenn Sie damit keinen Erfolg haben?

 

3. Runter kommen

Wenn eine Situation weiter zu eskalieren droht, atmen Sie bewusst mehrfach tief durch. Holen Sie sich positive innere Kommentare ins Bewusstsein („Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut!“, „Wenn wir so weitermachen, gibt’s noch ein Unglück!“, „Morgen ist auch noch ein Tag!“). Ruhig werden ist hier wichtiger als Konsequenz zu zeigen!

 

4. Aussteigen

Steigen Sie aus der Eskalation aus. Wenden Sie sich ab, verlassen Sie – wenn möglich – die Situation, das Streitthema, den Raum… Schaffen Sie Abstand!

 

5. Annähern

Es gibt immer eine zweite (und dritte und …) Möglichkeit! Egal, ob abends auf der Bettkante, bei der nächsten gemeinsamen Mahlzeit oder in einer ruhigen Minute zwischendurch. Wählen Sie einen Moment, indem alle Beteiligten entspannt sind und tragen Sie erneut Ihr Anliegen vor, begründen Sie es ruhig und sachlich und teilen Sie Ihrem Kind mit, was Sie von ihm erwarten. Die Tipps von Nummer 2. können Ihnen dabei helfen. Meist ist es jetzt ein Leichtes, mit Ihrem Kind notwendige Absprachen zu treffen.

Dieses „Anti-Klaps-Programm“ kann Ihnen helfen, Schläge und andere entwürdigende Erziehungsmaßnahmen zu vermeiden. Mit jedem Akt der Gewalt gefährden wir nicht nur unsere Kinder, wir verlieren auch ein Stück Achtung vor uns selbst.

 

Reinhard Baumann

Diplom-Sozialpädagoge